11.04.2025
Ich, die Mutter und leider ohne Berechtigung
Nach wie vor bekomme ich kaum Kontakt zu Patty. Irgendwann hieß es dann, es gäbe ein Kontaktverbot, ausgesprochen von der Klinik – warum, weshalb, wieso … keine Information. Besuch darf er sowieso in den ersten drei Monaten nicht empfangen. Und da steh ich nun, Mutter eines erwachsenen Sohnes, der zwar erwachsen, aber in seiner Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit massiv eingeschränkt ist.
Sammy, sein Bruder, darf telefonischen Kontakt halten – theoretisch. Praktisch ist das Patiententelefon ständig belegt. Als er es doch einmal durchgeschafft hat, erfuhr er: Patty wurde verlegt. Wohin? Warum? Schweigepflicht!
Er bekam eine Nummer. Dann noch eine. Und noch eine. Kein Rückruf. Keine Auskunft. Kein Mensch. Kein Herz.
Ich habe schließlich mein Netzwerk aktiviert – ja, genau das Netzwerk, über das ich hier nicht schreiben darf, weil auch da eine gewisse Verschwiegenheit herrscht. Über Umwege habe ich erfahren, dass Patty notoperiert wurde. Und am nächsten Tag nochmal operiert werden musste.
Was das mit mir gemacht hat? Ich kann es kaum beschreiben. Mein Kopf fühlte sich an wie ein Fass voller Sauerkraut. Ich wusste nicht wohin mit meinen Gedanken, mit meinen Sorgen, mit meiner Ohnmacht.
Ich bin dann am Abend noch zu meiner Hausärztin gefahren. Ich musste sowieso hin wegen eines Rezepts. Ich saß da, wie ein Häufchen Elend, und bat sie, mir einfach fünf Minuten zuzuhören. Ich kenne sie noch nicht lange und doch habe ich ihr, weinend wie ein Kind, mein Herz ausgeschüttet. Ich habe ihr erzählt, dass ich ehrenamtlich arbeite, aktiv in der Selbsthilfe bin, um ihr zu sagen: Ich tue was für mich! Ich versuche mich zu halten! Ich erzählte ihr von der Mauer aus Schweigen, die das System aufbaut. Diese stumme Anklage, als sei ich schuld. Wieder dieses Gefühl, als Mutter aus dem Leben ihres Sohnes herausgeschnitten worden zu sein und/oder umgekehrt. Ich werde nicht gehört. Nicht gefragt. Nicht einmal in Betracht gezogen.
Man entscheidet über meinen Kopf hinweg!!! Vielleicht hat man Patty wenigstens die Gründe für dieses Kontaktverbot gut und verständlich erklärt. Ich hoffe es so sehr,.... damit er nicht wieder in seinem wahnhaften Denken versinkt, das ihm ständig zuflüstert, dass sogar die eigenen Angehörigen gegen ihn sind. Dass wir nicht mehr da sind. Dass er allein ist.
Drei Monate, so ist das jetzt angesetzt. Für mich eine Ewigkeit und paradoxerweise eine zermürbende Momentaufnahme, für die Behandler ein Planpunkt auf einem internen Formular.
Nach drei Monaten, vielleicht sechs, ist wieder Schluss. Dann wandert Patty als Aktenzeichen weiter. Der nächste Behandler, das nächste Team, der nächste Versuch. Für die Klinik ein Fall unter vielen. Für mich ist es mein Sohn!!!
Und während ich hier sitze weiß ich, dass mein Sohn nicht nur in der Forensik sitzt, sondern auch im Krankenhaus und zweimal operiert werden musste. Ich kenne nicht die genauen Gründe, ich weiß nicht, wie schwer es war. Ich weiß nur, dass es ihm gerade nicht gut geht, ……und ich kann nichts tun. Nicht anrufen. Nicht schreiben. Nicht besuchen. Als würde man mir ein Teil meines eigenen Körpers genommen haben, …. zwangsweise amputiert.
Ich kämpfe. Jeden Tag. Und wenn ich merke, dass ich nicht mehr kann, dann lasse ich die Tränen laufen und dann schreibe ich, so wie jetzt. Dann rede ich, so wie gestern bei meiner Ärztin und ich versuche mich daran zu erinnern, was ich all die Jahre gelernt habe: Gefühle sind nicht die Feinde. Sie wollen gehört werden.
Also bleibe ich dran, ich schreibe weiter und ich bleibe wachsam, aber ich falle nicht.
„Und falls du, der oder die das hier liest, gerade auch am Rand der Verzweiflung stehst: Lass deine Gefühle da sein. Drück sie nicht weg. Weine, schreibe, wüte, denn all das zeigt nur eins: Du fühlst noch. Und das ist der erste Schritt zurück ins Leben.“
Denn manchmal ist es das, was uns davor bewahrt unterzugehen nämlich zu fühlen was ist.
Ich erzähle das nicht weil ich Mitleid suche,........ wirklich nicht. Ich brauche keine Mitleidshascherei und ich brauche kein bedauerndes Kopfnicken. Was ich möchte, ist Verständnis. Und vielleicht auch ein bisschen Ermutigung für andere, die Ähnliches erleben. Ich suche Wahrheit. Und ich teile meine, in der Hoffnung, dass sie irgendwo ankommt. Vielleicht beim Hilfesystem und bei den Behandlern, da wo wir Angehörige lästig, unangenehm und schuldig an dem Zustand unserer Kinder wahrgenommen werden. Das klage ich an!!!
Denn wenn ich eines gelernt habe, dann das: Wir dürfen nicht verstummen.
Wenn die Welt uns übergeht, müssen wir umso mehr unsere Stimme erheben: Für unsere Kinder, für uns, für unsere Würde. Und wenn uns die Stimme versagt, dann dürfen wir schreiben. So wie ich es hier tue.
Vielleicht ist das hier keine Heldengeschichte, … aber es ist meine.
12.04.2025
An die Behandler – ich wär dann jetzt soweit
Ich bin die Mutter.
Nicht irgendeine. Die Mutter, die 29 Jahre dauernden Krankheit jeden Zusammenbruch, jeden Aufschwung, jeden Arztwechsel und jede Medikamentenumstellung mitgetragen hat. Die Mutter, die beim ersten Klinikaufenthalt noch brav Kuchen gebacken hat. Die sich heute fragt, ob das überhaupt noch eine Rolle spielt,........... wo sie doch ohnehin nur als lästige Randnotiz gesehen wird.
Denn mein Sohn, schwer psychisch krank, ist mal wieder in der Forensik.
Krisenintervention nennt man das. Ich nenne es das übliche Manöver: Deckel drauf, Schlüssel weg, Angehörige ausblenden. Und bitte keine Fragen. Denn Fragen stören nur. Und Antworten? Gibt’s keine. Es sei denn, man ist Teil des erlauchten Kreises, der sich hinter der Schweigepflicht verschanzt wie hinter einer Ritterrüstung.
Kontaktverbot,....................so einfach!!!
Weil... ja, warum eigentlich? Weil ich ihn bedingungslos liebe? Weil ich immer noch bereit bin, ihn durch die Hölle zu begleiten, obwohl ich selbst längst Narben davongetragen habe? Weil ich "zu viel" weiß? Oder vielleicht einfach, weil es einfacher ist, Eltern zu ignorieren als mit ihnen auf Augenhöhe zu sprechen?
Natürlich weiß ich, dass mein Sohn volljährig ist. Aber in welcher Welt ist jemand entscheidungsfähig, der seine Tabletten absetzt, sich selbst verletzt und dann in irgendwelchen Obdachlosenunterkünften aufwacht? In welcher Welt ist es "Therapie", wenn man die Einzigen aussperrt, die trotz allem noch da sind?
Ich bin es leid, am Rand zu stehen. Ich bin es leid, mich dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich Bescheid wissen möchte. Nicht um alles zu kontrollieren, sondern um mein Kind zu verstehen.
Dass er operiert wurde, habe ich nicht von Ihnen erfahren. Dass er verlegt wurde auch nicht. Stattdessen rufe ich Nummern an, spreche mit Anrufbeantwortern und bekomme Antworten wie: "Dazu können wir nichts sagen."
Super! Wirklich! Ein System, das mich als Mutter zum Sicherheitsrisiko erklärt, während mein Sohn im OP liegt.
Ich brauche keine Beurteilung meines Co-Verhaltens. Ich weiß, dass ich emotional bin. Ich weiß, dass ich kämpfe. Aber ich weiß auch, dass ich im Gegensatz zu vielen anderen geblieben bin. Und dass ich nicht nur Rechte, sondern auch verdammt nochmal ein bisschen Würde verdiene.
Ich schreibe diesen Text, weil ich nicht mehr schweigen will. Weil Schweigen uns genau hierher gebracht hat. Ich schreibe, weil ich hoffe, dass es irgendwann jemanden im System gibt, der nicht nur zuhört, sondern versteht, dass Eltern mehr sind als bloß Verwandte auf Abruf.
Vielleicht ist das naiv. Aber ich nenne es Hoffnung.
Und ich habe mir geschworen, sie mir nicht auch noch nehmen zu lassen.
15.04.2025
Während das System weiterhin schweigt, verwaltet und verwahrt, kaufe ich T-Shirts, suche die weichsten Socken raus, wähle die beste Schokolade und klebe einen Zettel mit Herz daran. Es ist Ostern, nicht Weihnachten, aber Wunder sind zu jeder Jahreszeit willkommen. Auch in der Forensik.
Er hat sich gemeldet. Patty! Ganz brav übers Patiententelefon. Zurück in der Forensik, zurück in den Schoß unseres feinjustierten Systems, das ihn jetzt weiterpflegt.
Er wusste nicht mehr so genau, ob er nun zwei oder dreimal operiert wurde, aber hey, wer zählt da schon mit, wenn der eigene Körper zwischen Schmerzmitteln und Verwahrung herumgereicht wird. Was mich überrascht hat: Er war erstaunlich klar. Mit diesem staubtrockenen, heiteren Galgenhumor, den nur wir zwei so hinbekommen. Manchmal denke ich, er ist mir ähnlicher als mir lieb ist.
Und ja, ….. er hat gefragt, ob er mich anrufen darf. Nicht, ob er Schokolade will oder Socken braucht, sondern ob er mich sprechen darf. Mutterherz, du hast wieder gezuckt!!!
Besuchen darf ich ihn noch nicht. Nicht zu Ostern, nicht nächste Woche, nur irgendwann.
Aber immerhin,........ ich kann an der Pforte abgeben. T-Shirt, Socken, Schokolade. Ich klebe noch ein Zettelchen dran: „Frohe Ostern und denk dran, du bist nicht ganz allein.“ Das werde ich machen, Warum?! Weil ich’s nicht lassen kann. Weil er mein Sohn ist.
Und weil wir eben beide diesen ganz eigenen Humor haben, mit dem man sogar die Forensik übersteht.
25.04.2025
„Ich war das Opfer – aber ich bleibe nicht dort stehen“
Da steht man also mit einem hübsch verpackten Geschenk für den eigenen Sohn und darf es ihm nicht selbst geben. Stattdessen übergibt man es zwei freundlichen Pflegern im Eingangsbereich der forensischen Station. Nett, korrekt, höflich. Man bedankt sich, nimmt das Päckchen entgegen und überprüft es.
Die Reaktion auf meine vorsichtige Frage, ob ich ihn denn überhaupt mal besuchen darf, war ebenso diplomatisch wie entwaffnend: „Man geht von einem Kontaktverbot aus – wegen der Vorgeschichte.“
Aha. Man geht davon aus. Als wäre das eine Wettervorhersage: „Könnte kritisch werden. Lieber mal Abstand halten.“
Ja, ich weiß. Ich bin offiziell das Opfer. Und ja, es gab schlimme Momente.
Aber ich bin eben auch seine Mutter. Und Muttersein endet nicht bei einem Urteil, einem Bericht oder einem Paragrafen. Es ist eine dieser lästigen Dauerzustände, … wie Rückenschmerzen oder die Liebe. Es ist nicht kündbar. Nicht mal in der Forensik.
Man empfahl mir freundlich, mich doch an die behandelnde Ärztin oder Therapeutin zu wenden. Ein guter Tipp.
Wenn man Lust auf ein weiteres Kapitel im Buch „1001 unbeantwortete Anfragen“ hat. Aber ich habe beschlossen: Heute nicht!!! Nicht wieder gegen Wände laufen!!!
Stattdessen: Ostermontag ein Telefonat. Mein Geschenk durfte er ja bekommen, warum also nicht auch ein paar liebe Worte?
Tja. Daraus wurde leider nichts. Was ich bekam, war eine Schimpftirade. Laut, verwirrend, abweisend. Worte, die weh tun, auch wenn man eigentlich schon geübt ist im Verletztwerden.
Ich habe das Gespräch beendet, saß da, das Telefon noch in der Hand und fragte mich: War das wirklich mein Kind? Oder ein Fremder, der durch ihn spricht? Aber dann dachte ich: Nein. Das war nicht mein Patty. Das war die Krankheit.
Diese sch.... Krankheit, die aus Menschen etwas macht, das sie nicht sind.
Nicht der große Bruder, der lange vor seiner Erkrankung für die beiden Kleinen ein echtes Vorbild war, still, aber stark.
Nicht der „kleine süße Patty“, wie ihn alle nannten, noch bis weit ins Grundschulalter. Der mit ernster Miene im Sandkasten saß und seine Förmchen gegen die Welt verteidigte – bis ihn das ganze Gerangel überforderte und er sie seufzend doch verlieh.
Nicht der Junge, der immer ein Herz für andere hatte, der lieber ein Taschentuch reichte als nachzutreten.
Nicht der charmante Klassenclown, der nie ein Mädchenschwarm sein wollte, aber es eben trotzdem war.
Nicht mein Patty. Nicht der Patty. Oder doch der kranke Patty?!
Und genau deshalb habe ich beschlossen, ihn erstmal nicht mehr anzurufen. Nicht aus Trotz. Nicht aus Verletztheit. Sondern, weil ich spüre, dass es gerade keinen Sinn ergibt.
Ich lasse ihn jetzt. Und ich warte. Vielleicht meldet er sich irgendwann von sich aus. Vielleicht nicht. Aber wenn er es tut, bin ich da. Ohne Drama. Ohne Vorwürfe. Ohne „ich hab’s dir doch gesagt“.
Was bleibt, ist dieses Gefühl: draußen zu stehen. Wieder einmal!
Wie so oft in den letzten Jahren, wenn man als Mutter versucht, Hilfe zu holen, und sich dabei eher wie eine Bittstellerin vorkommt. Oder schlimmer: wie ein Störfaktor. Ich bin nicht naiv. Ich weiß, dass das System seine Gründe hat. Aber ich frage mich manchmal, ob dieses System auch Eltern zu Opfern macht, weil man sich dessen hilflos ausgeliefert fühlt.
Ich habe mich schon einmal aus der Opferrolle befreit. Ich werde es wieder tun. Denn ich bin mehr als die Mutter eines kranken längst erwachsenden Kindes.
Ich bin eine Frau, die nicht aufgibt, auch nicht, wenn man sie aus den Besprechungsräumen und Entscheidungsprozessen freundlich „herausschiebt“.
Ich kann Patty im Moment nicht helfen. Und vielleicht, auch wenn es paradox klingt, ist es gut, dass er nun in einem System ist, das helfen könnte.
Auch wenn es mich draußen stehen lässt.
Aber ich kann helfen, ….. anderen Eltern. Eltern, die sich genauso machtlos fühlen. Eltern, die um ihr krankes Kind trauern, sich abkämpfen und doch oft übersehen werden. Eltern, die nur eines wollen: Nicht verzweifeln und nicht zum Schweigen gebracht werden.
Wir Eltern haben ein Recht auf unser eigenes Leben. Ein Leben, das nicht dauerhaft in Kummer und Sorgen untergeht.
Ein Leben, in dem wir wieder atmen dürfen,… trotz allem, oder vielleicht gerade deswegen.
06.05.2025
Wenn „Wie erwartet“ das neue Normal ist – und ich trotzdem weitermache
Dreimal habe ich meine Telefonnummer hinterlegt. Für ein Arztgespräch. Dreimal!!!
Glaubt man ja kaum. Ich hab’s auch kaum geglaubt, am Anfang. Inzwischen bin ich nicht mal mehr enttäuscht. Oder wütend. Ich nehme es zur Kenntnis und denke mir nur: „Wie erwartet!“
Ein System, das nicht zurückruft, schützt halt auch keine Herzen.
Ich weiß nicht, was da schiefläuft, oder vielleicht weiß ich es zu gut. Aber das Erklärungsbedürfnis ist weg. Ich will nicht mehr verstehen, warum es so ist. Ich will einfach, dass es besser wird.
Und dann,... überraschend, aber irgendwie auch nicht, hat sich Patty gemeldet. Heimlich, wie er sagt.
Diesmal war er friedlich. Für ein paar Minuten war er da. Ganz klar, ganz bei sich – und ein kleines Stück bei mir.
Es war einer dieser seltenen Momente, in denen die Krankheit Platz macht und mein Sohn hindurchscheint.
Ein schöner Moment. Ein Moment, den ich festhalten wollte. Aber wie so oft: Die Tür schloss sich schnell wieder. Das Gespräch wurde wirrer, angespannter. Und doch: Ich habe mich gefreut.
Ich nehme, was ich kriegen kann. Wenn das System mich ausschließt – mein Kind tut es nicht immer. Und manchmal reichen eben fünf Minuten, um weiterzumachen. Denn genau das tue ich.
Eigentlich wollte ich morgen zur Selbsthilfekontaktstelle, wegen meines Plans, hier im Landkreis einen Elternkreis zu gründen. Aber der Termin wurde abgesagt. Ich hab kurz gestöhnt, dann tief durchgeatmet und weitergemacht.
Neben all dem, was privat auf mich einprasselt, versuche ich, nicht stehenzubleiben, sondern mich dort einzubringen, wo ich das Gefühl habe, etwas bewirken zu können.
Mein Ehrenamt hat viele Gesichter. Manchmal moderiere ich den Online-Elternkreis von elternsuchtkrankerkinder.de, wo wir offen über das sprechen, was uns sonst oft im Hals stecken bleibt.
Ich, Teil eines Netzwerkes von FragEltern.de bin und ich engagiere mich im Fachbeirat bei ARWED e.V., einem Landesverband für Eltern von drogenabhängigen Kindern. Dort bringe ich meine Perspektive als betroffene Mutter ein.
Besonders schön finde ich: Mein Mann ist inzwischen auch dabei – wenn auch auf ganz andere Weise.
Er ist nicht betroffen, aber als Partner mittendrin. Letztes Jahr hat er sich in den Vorstand von ARWED wählen lassen und kümmert sich dort um die Finanzen.
Ein starkes Zeichen, finde ich. Nicht jeder macht diesen Weg mit. Ich weiß, wie viel das bedeutet.
Und nächste Woche geht’s nach Hamburg.
DZSKJ-Fachtagung 2025 – das steht für „Deutsches Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters“. Ich fahre mit dem Team von FragEltern.de zur Verabschiedung von, einem der prägenden Köpfe in der Suchtforschung für Kinder und Jugendliche.
Das Thema?
Suchtforschung und -therapie für Kinder und Jugendliche.
Genau das, was uns alle bewegt. Was manchmal viel zu spät, zu theoretisch oder zu abgehoben behandelt wird und doch so dringend bodenständig und menschlich sein müsste.
Ich bin nicht die Forscherin. Ich bin die Mutter. Die Ehrenamtlerin. Die, die ein bisschen Einblick hat und sehr viel gelebtes Leben.
Ach ja – Hamburg. Ich war noch nie dort. Und ich werde vermutlich auch nicht viel davon sehen. Der Tagungsplan ist straff, die Inhalte dicht.
Große Stadt, kleiner Ausschnitt, tja wie das Leben manchmal so spielt.
Aber allein der Gedanke, dort dabei zu sein, mit anderen Engagierten, mit Fachleuten, mit Menschen, die wirklich was verändern wollen, dass macht etwas mit mir. Es gibt mir das Gefühl: Ich bin nicht allein. Und ich bin nicht machtlos.
Denn manchmal reicht ein kleiner Moment mit Patty. Ein gutes Gespräch mit anderen Eltern. Oder ein kurzer Blick auf die Elbe, zwischen zwei Vorträgen.
Und das reicht, um weiterzugehen. Schritt für Schritt. Tag für Tag.
17.05.2025
„Es geht auch anders – ein Tag voller Wertschätzung“
Beim feierlichen Abschied von Prof. Dr. Rainer Thomasius, dem langjährigen Ärztlichen Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), durften wir von FragEltern mit einem kleinen Infostand präsent sein – Mandy Jörgensen, Dr. Christiane Erbel und ich.
Und es war mehr als nur eine Teilnahme.
Wir wurden wahrgenommen,... als Eltern, als Expertinnen in eigener Sache, als Teil eines engagierten Netzwerks, das nicht nur begleiten, sondern auch bewegen will.
Viele Fachleute kamen auf uns zu, suchten das Gespräch, hörten zu und bedankten sich ausdrücklich für unser Engagement.
Das ist nicht selbstverständlich. Zu oft bleibt Elternarbeit im Hintergrund, wird belächelt oder gar ignoriert.
Aber an diesem Tag war es anders.
Wir haben Wertschätzung gespürt. Aufrichtige Dankbarkeit. Und echtes Interesse. Besonders gefreut hat uns, dass auch unser Vorschlag zur frühzeitigen Prävention bei Kindern und Jugendlichen, inspiriert vom erfolgreichen isländischen Modell, auf offene Ohren stieß.
Schulunabhängige Freizeitangebote, stärkere Elternarbeit und klare Strukturen – all das können wir auch hier schaffen.
Und nicht nur Island macht’s vor: Auch andere europäische Länder wie Norwegen, Litauen oder die Niederlande orientieren sich bereits an ähnlichen Ansätzen mit nachweisbarem Erfolg.
Ganz ehrlich???
Ich verstehe nicht, warum so ein wirkungsvolles Konzept bei uns immer noch so schwer in die Praxis kommt.
Gerade wir in der Selbsthilfe erleben doch tagtäglich, wie dringend nötig echte Prävention wäre – und wie viel Potenzial verschenkt wird.
Natürlich war dieser Tag auch ein würdiger Abschied für einen Mann, der sein Berufsleben der Suchtprävention gewidmet hat:
Danke, Prof. Dr. Thomasius, für Ihre wertvolle Arbeit, Ihre klare Haltung und Ihre Menschlichkeit.
Was ich persönlich aus diesem Tag mitnehme?
Es geht auch anders.
Mit Respekt.
Mit Zuhören.
Mit dem Mut, Eltern als Partner ernst zu nehmen.
Und mit der Gewissheit:
Unsere Stimmen zählen. Und wir bleiben laut.
(Und ja – wer mich kennt, weiß: Nach den vielen Jahren mit Pattys Behandlern, in denen man mich mal überhörte, mal belächelte, mal stigmatisierte – war dieser Tag in Hamburg fast schon therapeutisch.)
22.05.2025
Wieder draußen. Und ich? Wieder sprachlos.
„Manchmal verletzt dich nicht das, was jemand getan hat, sondern das, was danach nicht gesagt wurde.“
(Anja Tille-Woweries)
Patty ist entlassen. Zurück in die BeWo. Ich wusste, dass dieser Tag irgendwann kommt, aber nicht so. Nicht ohne ein Wort. Nicht ohne ein Gespräch. Nicht einmal ein kurzer Hinweis oder eine Rückmeldung.
Einfach… Stille.
Weil Kontaktverbot herrscht. So nennt man das wohl. Und ja, ich verstehe den rechtlichen Rahmen, ich kenne das Protokoll.
Aber ich bin nicht nur „das Opfer“, wie man mich offenbar im System sieht. Ich bin seine Mutter.
Und genau in dieser Spannung zwischen Betroffenheit und bedingungsloser Liebe, stehe ich seit Jahren.
Habe ich mich gesehen gefühlt? Nein. Hat man mich gehört? Auch nicht. Ich war schlicht nicht vorgesehen.
Die Tat, ja,...sie liegt über elf Jahre zurück. Elf Jahre, in denen wir beide versucht haben, das Geschehene zu verstehen.
Patty und ich haben geredet, manchmal stockend, manchmal schmerzhaft offen, aber immer ehrlich.
Ich habe versucht, ihn nicht nur mit den Augen der Verletzten zu sehen, sondern mit dem Herzen einer Mutter, die weiß, dass ihr Kind damals krank war.
Schuldunfähig. Nicht er selbst. Ich habe ihm verziehen. Nicht, weil ich vergessen hätte, sondern weil ich ihn gesehen habe – in seiner Zerrissenheit, in seiner Unfähigkeit, sich selbst zu schützen.
Aber jetzt ist etwas passiert. Etwas hat sich verschoben. Die Entlassung, das plötzliche Wiederauftauchen, ohne Vorbereitung, ohne Gespräch, hat etwas in mir aufgewühlt, was ich für bearbeitet hielt.
Ich glaube, es hat uns beide retraumatisiert.
Unser Verhältnis ist nicht mehr wie vor der Klinik. Da ist eine Distanz, ein leises Misstrauen, vielleicht auch Enttäuschung. Nicht über ihn – über das, wie man mit uns umgegangen ist. Wie kann man als Mutter all das fühlen und dann zum Schweigen verdonnert werden?
Warum wird meine Rolle auf „Opfer“ reduziert? Warum zählt meine Sicht nicht?
Warum fragt niemand, was ich noch tragen kann und was ich längst schon lange trage? Ich hätte nicht viel gebraucht. Kein großes Drama, kein Sonderstatus.
Ein Gespräch, ein Blick, ein bisschen Respekt für das, was in dieser Familie passiert ist – jenseits von Akten, Diagnosen und Urteilen.
Ich versuche, nicht bitter zu werden. Denn ich weiß, dass Bitterkeit mich frisst. Aber heute bin ich enttäuscht. Traurig. Und leer.
Weil ich merke, wie sehr das System den Menschen vergisst, sobald er nicht in die vorgesehene Schublade passt.
Ich bin nicht nur Opfer. Ich bin Mutter. Und gerade wieder sehr allein damit.
Ach ja, und dann war da noch Hamburg.
Eine Veranstaltung, auf der ich plötzlich Mensch war, nicht nur Mutter, nicht nur Betroffene, nicht nur die, die „immer was sagen muss“.
Da wurde meine Erfahrung wertgeschätzt, mein Engagement gesehen. Sogar meine Meinung war gefragt und ja,... ich weiß, kaum zu glauben.
Ich durfte reden. Und es wurde zugehört. Nicht genickt und dann weggeschoben, sondern wirklich zugehört.
Für einen Moment hatte ich das Gefühl, dass das, was ich all die Jahre mittrage, nicht nur Last ist, sondern auch Kompetenz.
Ich fühlte mich wie eine „Expertin durch Leben". Und dann kam ich wieder nach Hause. In meinen Alltag, in dem ich oft gar nicht vorkomme.
Weil mein Sohn schwer krank ist. Weil das ganze System mit seinen Symptomen beschäftigt ist, aber nicht mit den Spuren, die das alles bei uns Angehörigen hinterlässt. Da bin ich dann wieder nur die Mutter. Die mit der komischen Mischung aus Liebe, Wut, Hoffnung und Müdigkeit.
Aber gut. Man kann ja nicht alles haben.
Wertschätzung scheint ortsgebunden zu sein.
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