Wie Drogen und Psychosen das Leben meines Sohnes und unsere Familie veränderten 




Dezember 2025


Dies ist kein Weihnachtstext

Der Dezember ist wieder da. Und mit ihm diese Zeit, in der Nähe als etwas Selbstverständliches gilt. Als etwas, das man aushält, weil es eben dazugehört.
Patrick feiert seit dreizehn Jahren kein Weihnachten mehr mit uns. Dieses Jahr wäre es das vierzehnte. In den ersten Jahren lag es am Maßregelvollzug. Heute liegt es an der Krankheit. Man könnte sagen, die Gründe haben sich verändert. Leichter ist es dadurch nicht geworden.
Viele Menschen gehen für ihn nicht mehr. Zu viele Stimmen, zu viele Reize, zu viel gleichzeitig. Man merkt es relativ schnell. Er wird flapsiger, unruhig, fahrig. Nicht aggressiv. Eher so, als würde in ihm etwas dauerhaft unter Spannung stehen. Als wäre alles einen Moment zu laut, zu nah, zu viel.
Beim letzten Familientreffen, seinem ersten nach der Forensik, war das deutlich zu spüren. Es wird vermutlich auch das letzte dieser Art gewesen sein. Nicht aus Prinzip, sondern aus Einsicht. Man muss nicht alles wiederholen, nur weil es früher einmal normal war.
Auch an seinem Geburtstag haben wir den Rahmen bewusst klein gehalten. Wirklich klein. Seine Brüder mit ihren Kindern, wir, der Hund. Trotzdem wurde es ihm irgendwann zu viel. Sein Blick wurde unruhig, Gespräche erreichten ihn kaum noch. Er war da und gleichzeitig nicht mehr richtig erreichbar.
Und dann, später, auf der Heimfahrt. Es war schon dunkel. Die ersten Weihnachtslichter leuchteten. Patrick schaute lange aus dem Fenster, ganz ruhig. Er nahm diese Lichter auf, ohne etwas sagen zu müssen. Irgendwann meinte er, es sei ein schöner Tag gewesen.
So sieht diese Krankheit im Moment aus. Sie nimmt uns Nähe, Selbstverständlichkeit und gemeinsame Rituale. Und was bleibt, sind keine Lösungen, keine Entwicklung und keine Hoffnung im klassischen Sinn. Es bleibt nur die Aufgabe, mit dem zu leben, was ist, ohne daran zu zerbrechen.
Ich mache weiter. Eine Alternative gibt es nicht.

Eigene Gedanken
Ich habe aufgehört, gegen die Schizophrenie meines Sohnes anzukämpfen. Nicht, weil ich aufgegeben hätte, sondern weil Kämpfen irgendwann sinnlos wird. Ich habe akzeptiert, dass sie Teil unseres Lebens ist. Nicht als Phase, nicht als Krise, sondern als Dauerzustand.
Am Anfang war Hoffnung. Natürlich. Die Hoffnung auf Heilung, auf einen Wendepunkt, auf ein Danach. Ich habe Seminare besucht, Veranstaltungen, Gespräche geführt. Ich habe Menschen kennengelernt, die es geschafft haben. Eine Frau, die wieder herausgefunden hat. Die mit Medikamenten gut leben kann. Das hat mir damals Hoffnung gemacht.
Heute weiß ich, dass diese Geschichten nicht unsere sind. Patty ist seit vielen Jahren schizophreniekrank. Chronisch. Und je länger diese Krankheit dauert, desto klarer wird, dass es keine Heilung geben wird. Diese Hoffnung habe ich aufgegeben. Nicht aus Resignation, sondern aus Klarheit.
Ich richte mein Leben nicht mehr auf Heilung aus, sondern auf Begleitung. Auf ein Leben mit der Schizophrenie, nicht auf ein Leben nach ihr. Mein eigenes Leben liegt größtenteils hinter mir. Das meines Sohnes nicht. Und er ist immer noch krank. Ich werde älter. Die Krankheit bleibt. Wahrscheinlich wird sie sich weiter verschlechtern, so wie bisher auch.
Damit kommen Gedanken, die man selten ausspricht. Was passiert, wenn ich nicht mehr da bin? Vielleicht bekomme ich es dann nicht mehr mit. Aber verschwindet diese Verantwortung einfach. Oder bleibt etwas Unerledigtes zurück. So wie bei meiner Mutter. Eine offene Stelle, die nie ganz geschlossen wird.
Ich kann meinen Sohn begleiten. Mehr kann ich nicht tun. Ich kann nichts ändern. Ich kann nichts heilen. Diese Grenze ist hart, aber eindeutig. Und sie verschwindet auch dann nicht, wenn man sie lange ignoriert.
Es gibt auch körperliche Folgen. Kopfschmerzen, wenn ich lange mit ihm zusammen bin. Erschöpfung. Und das Wissen darum, was die Medikamente mit ihm machen. Dass sie notwendig sind. Und dass sie zugleich etwas nehmen. Ich schreibe das nicht, um Angst zu machen. Ich schreibe es, weil es dazugehört.
Diese Gedanken sind nicht außergewöhnlich. Sie sind normal für Menschen, die lange mit einer schweren psychischen Erkrankung leben. Viele denken sie. Wenige sprechen sie aus. Ich tue es hier, weil Schweigen nichts leichter macht.